Chat-Transkript vom 08.06.2004

Ingo Friedrich, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, stellv. CSU-Vorsitzender, Spitzenkandidat der CSU zur Europawahl

Thema: Europawahl

Moderator: ...
: Ingo_Friedrich hat den Raum betreten
Moderator: Guten Tag!
Ingo_Friedrich: Grüß Gott aus Bayern!
Moderator: Ich begrüße Dr. Ingo Friedrich, den stv. Präsidenten des Europaparlamentes und Spitzenkandidat der CSU zur Europawahl hier zum Chat bei dol2day!
Moderator: Herr Dr. Friedrich: Der Chat ist schon "freigeschaltet" (d.h. die Zuschauer können uns schon sehen und Fragen stellen). Könnten Sie sich bitte noch kurz vorstellen?
Ingo_Friedrich: Herzlichen Dank für die freundliche Begrüßung!
Ingo_Friedrich: Mein Name ist Ingo Friedrich, ich bin 62 Jahre alt und wohne im mittelfränkischen Gunzenhausen. Ich bin seit der ersten Direktwahl im jahre 1979 im Europäischen Parlament. Seit 1999 bin ich dessen Vizepräsident. Im aktuellen Europawahhlkampf bin ich Spitzenkandidat der CSU.
: Moderator hat den Raum verlassen
: Moderator hat den Raum betreten
Moderator: Entschuldigen Sie bitte.
Moderator: Mein Rechner ist abgestürzt.
Ingo_Friedrich: Kein Problem!
Moderator: Frage von Batgirl an Ingo Friedrich:    "Ich habe mir vorhin ihren Internetauftritt angesehen, er hat mir sehr gut gefallen, sehr übersichtlich, sehr informativ. Aber warum gibt es dort keinen Hinweis darauf, dass sie aktuell bei uns im Chat sind? Hier kommen eine Menge sehr unterschiedlicher Menschen zusammen und wir freuen uns, wenn die Community weiter wächst. Werden sie uns demnächst von ihrer Seite verlinken ? ;-)"
Ingo_Friedrich: Der Chat kam sehr kurzfristig zustande, deshalb war es in der Kürze der Zeit nicht mehr möglich, den heutigen Chat zu verlinken. Es freut mich, dass Ihnen meine Internetseiten gefallen.
Moderator: Bevor ich weitermache - da habe ich aufgrund meines Absturzes vergessen mich vorzustellen: Mein Name ist Jens Matheuszik, ich bin von der dol2day-Redaktion, 26 Jahre alt - und moderiere heute diesen Chat hier.
Moderator: Frage von Quijote an Ingo Friedrich:    "Herr Friedrich, verlangt die CSU noch eine Verankerung des Christentums in der europäischen Verfassung? Wenn ja, warum?"
Ingo_Friedrich: Ja, die CSU verlangt das Bekenntnis zu den christlichen Wurzeln im Europäischen Verfassungsvertrag. Die EU befindet sich auf dem Weg von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Wertegemeinschaft. Dafür brauchen wir ein gemeinsames Wertefundament, auf dem wir aufbauen können. Die EU würde sonst zu einer Gemeinschaft "ohne Seele" verkommen.
Moderator: Frage von *verärgert an Ingo Friedrich:    "Darf man schon Fragen stellen? Wenn ja: Ich wüßte gerne, warum die CSU im Europawahlkampf keine wirklich aktuellen Europa-Themen hat, sondern nur gegen einen MÖGLICHEN EU-Beitritt der Türkei wettert?"
Ingo_Friedrich: Wir haben doch aktuelle Themen, wie etwa den Gottesbezug im Europäischen Verfassungsvertrag, Terrorismusbekämpfung, Stärkung der Landwirtschaft, die Konsolidierung der EU-Finanzen, die Stärkung der deutschen Sprache neben Englisch und Französisch und eben auch die Grenzen der Erweiterung der EU. Es geht bei der Türkeifrage nur darum, ob die EU in der Lage wäre, die Vollmitgliedschaft Ankaras zu verkraften. Mit "wettern" hat das nichts zu tun. Wir sind der Meinung, dass die EU nach der Aufnahme zehn neuer Staaten zum 1. Mai 2004 an die Grenzen ihrer Integrationskraft gestoßen ist. Das macht sich in vielen Bereichen bemerkbar, organisatorisch, sprachlich, kulturell und eben auch finanziell.
Moderator: Frage von Quijote an Ingo Friedrich:    "Diskriminieren sie mit einer Verankerung des Christentums nicht die real existierenden nicht-christlichen Wurzeln der EU, man denke an die Araber, die Gothen, die Inder, Juden? Nur weil das Christentum in den letzten Jahrhunderte die dominierende Rolle gespielt hat kann das doch kein Anlass zur Pauschalisierung der Tatsachen sein (heute ist ein großer Anteil der EU einer anderen Religion zugehörig oder atheistisch)"
Ingo_Friedrich: In der Präambel sind eine Reihe von Traditionen Europas aufgezählt (Aufklärung etc.), zu den unstrittig auch das Christentum zählt. Damit wird also keinerlei Diskriminierung anderer Regligionen bewirkt und es ist so auch nicht interpretierbar.
Moderator: Frage von *verärgert an Ingo Friedrich:    "Sorry, Herr Freidrich, aber sie hatten meine erste Frage nicht wirklich beantwortet. Warum ist es der CSU so wichtig, dass die Türkei nicht zur EU kommt?"
Ingo_Friedrich: Mit einiger Verspätung: Hallo Herr Matheuszik!
Ingo_Friedrich: Weil sich die EU damit politisch, organisatorisch, kulturell und auch finanziell überdehnen würde, sie könnte das nicht verkraften. Für unsere großen Nachbarländer wie Türkei, Ukraine und Weissrussland haben wir deshalb eine maßgeschneiderte Partnerschaft beschlossen, weil sie die Überdehnung Europas vermeidet und gleichzeitig eine effektive, enge Zusammenarbeit und Freundschaft mit unseren Nachbarn ermöglicht und gewährleistet.
Moderator: Frage von Batgirl an Ingo Friedrich:    "Moin aus Kiel. Der „Normalbürger“ bekommt von EU Politik in der Regel sehr wenig mit. Wenn ich mal zusammenfassen darf, was hier so ankommt: „Die EU will uns die Überraschungseier wegnehmen“, „Jetzt kommen die ganzen Billigarbeiter aus Polen herüber“ und „Die Deutschen kippen bei der Abstimmung zu den EU-Software-Patenten“ (auch wenn wenig ersichtlich ist, worum es da überhaupt geht). Gibt es konkrete Pläne, die EU weiter in die deutsche Öffentlichkeit zu rücken? Und wie stehen sie selbst zur Frage der Softwarepatente?"
Ingo_Friedrich: Der Etat für Öffentlichkeitsarbeit soll schrittweise an die größeren Anforderungen mit 450 Millionen Bürgern angepasst werden. Auch die EU-Abgeordneten planen über moderne Kommunikationsmittel ihre Arbeit besser an die Bürger zu vermitteln, z.B. mittels Homepage. Die entscheidende Triebkraft für die zunehmenden Bedeutung der europäischen und internationalen Politik ist, dass bei offenen Grenzen viele früher national regelbare Probleme heute nur noch im größeren Rahmen lösbar sind (z.B. Ökosteuer, Umweltschutz, Schutz vor Radioaktivität, Patentschutz, fairer Welthandel...) Zu Softwarepatenten: Meine politische Parteifamilie will genau verhindern, dass der Ministerrat auch kleinste Neuerungen zu patentierbaren Erfindungen hochstilisiert. Eine ausführliche Stellungnahme dazu ist in meinem Büro jederzeit abrufbar.
Moderator: Frage von marillion an Ingo Friedrich:    "Wie ist ihr Verhältnis zu Edmund Stoiber? Vor einigen Jahren hat er sich ja klar gegen ihre erneute Spitzenplatzierung auf der CSU-EU-Liste ausgesprochen gehabt?"
Ingo_Friedrich: Das Verhältnis zwischen Edmund Stoiber und mir ist herzlich, vertrauensvoll und sehr gut!
Moderator: Frage von zitron_e an Ingo Friedrich:    "So so, wir sind auf dem Weg zu einer Wertegemeinschaft. Werte sind Auslegungssache, wann wird ein Diskurs über europäische Werte mit Bürgerbeteiligung geführt? Oder sind unsere Werte nur "Wir san mir und des auch nur im katholischen?"
Ingo_Friedrich: Ich selbst bin Protestant und Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CSU. Gerade in diesem Rahmen wird seit Jahren sehr intensiv über die gemeinsamen europäischen Werte diskutiert. Die Beteiligung der Bürger bei der Erstellung des Europäischen Verfassungsvertagsentwurfs war sehr intensiv, weil über Internet tausende von Anregungen der Bürger bearbeitet werden konnten. Bei jeder Diskussionveranstaltung mit Europaabgeordneten können interessierte Bürger über gemeinsame Werte diskutieren.
Moderator: Frage von Seebohm an Ingo Friedrich:    "Repräsentieren Sie auch die nationalkonservativen Stammwähler der Union?"
Ingo_Friedrich: In einer großen Volkspartei, die über 50 Prozent der Wähler repräsentiert, sind stets alle großen politischen Strömungen präsent. Dazu zählen die christlichen Werte, die soziale Marktwirtschaft sowie die Vertretung der Interessen des eigenen Landes als guter Patriot. Radikale Strömungen finden bei uns allerdings keinen Platz!
Moderator: Frage von *verärgert an Ingo Friedrich:    "Schmerzt es Sie als Vizepräsident des EPs nicht, daß ihre eigene Partei eine Art vorgezogene Bundestagswahl aus der Europawahl macht und somit nicht Europa sondern Berlin im Vordergrund steht?"
Ingo_Friedrich: Bei allen Wahlen in Deutschland entscheiden die Wähler nach den von ihnen als wichtig betrachteten Themen. Bei den Diskussionen zur Europawahl diesen Jahres wird deshalb neben der vielen europäischen Themen auch über die desolate deutsche Wirtschaftspolitik diskutiert. Dies wünschen die Wähler und deswegen lautet einer unserer Programmpunkte auch, dass am 13. Juni die Möglichkeit eines Denkzettels für die rot-grüne Politik gegeben ist.
Moderator: Frage von Anubis an Ingo Friedrich:    "Dr .Edmund Stoiber hat ja im Jahre 2000 Dr. Wolfgang Schüssel zu einer Koaliton mit der FPÖ geraten und diese dann auch international verteidigt. Zu dieser Zeit gab es ja einen guten Draht zwischen Wien und München. Dr. Wolfgang Schüssel sprach ja auch öfters auf Veranstaltungen der CSU. Gibt es auch in Brüssel eine engere Kooperation zwischen den beiden Parteien und wie gestaltet sich diese?"
Ingo_Friedrich: ÖVP und CSU gehören beide der "Europäischen Christdemokratischen Parteifamilie" an. In diesem Rahmen gibt es eine partnerschaftlich freundschaftliche Zusammenarbeit, ähnlich wie mit den Christ-Demokraten aus Frankreich, Benelux oder Spanien. Und: Die Abgeordneten beider Parteien sitzen in der selben christ-demokratischen Fraktion des Europäischen Parlaments.
Moderator: Frage von Prof.Erhard an Ingo Friedrich:    "Warum war die CSU nicht gegen die teile der EU-Verfassung, die ein Patentrecht auf Menschen (als Säugetiere definiert!) implizieren? Ist das nicht antichristlich?"
Moderator: Frage von zitron_e an Ingo Friedrich:    "Bei dol wird gerade eine Diskussion zu folgender Frage geführt: Ist Sahra Wagenknecht eine der attraktivsten Politikerinnen aller Zeiten? Wie schätzen Sie das ein?"
Ingo_Friedrich: Es gibt kein Patentrecht auf Säugetiere und Menschen. In der Grundrechtecharta wird expressis verbis das reproduktive Klonen verboten.
Ingo_Friedrich: Über Geschmack lässt sich streiten!
Moderator: Frage von marillion an Ingo Friedrich:    "Hr. Dr. Friedrich. Grüße aus Weißenburg. Wie weit sind die Verhandlungen über die EU-Verfassung und wo sind noch die Problemfelder der einzelnen Länder anzusiedeln?"
Moderator: Frage von Seebohm an Ingo Friedrich:    "Habe ich Sie richtig verstanden, Sie bezeichnen Natinalkonservative als Radikale?"
Ingo_Friedrich: Eine Vorentscheidung wird noch im Juni getroffen, danach folgt eine zweijährige Periode der nationalen Ratifizierung in allen 25 EU-Staaten, bevor die Verfassung Realität werden kann. Die strittigen Themen sind u.a. die christlichen Werte, die Gewichtung der Stimmen im Ministerrat, präzisere Abgrenzung der Subsidiarität, Einstimmigkeitserfordernis bei steuerlichen Fragen, Abgrenzung über obligatorische und nichtobligatorische EU-Ausgaben und entsprechender Einflussnahme des Europäischen Parlaments. Grüße nach WUG!
Ingo_Friedrich: Nein. Als Radikale bezeichne ich z.B. die NPD und die Kommunistische Partei. Leider muss ich mich wegen anderer Termine nunmehr aus dem Chat verabschieden. Vielen Dank für Ihre Fragen!
Moderator: So... wir nähern uns der Uhrzeit von 13 Uhr bzw. haben Sie schon erreicht... kann ich eine letzte Frage noch in den Chat stellen?
Moderator: Ups, das hatte ich überlesen.
Moderator: Vielen Dank für Ihre Bereitschaft hier beim Chat teilzunehmen und viele Grüße nach Bayern!
Moderator: Ich danke auch den vielen eifrigen Fragestellern!
Ingo_Friedrich: Vielen Dank und und bis zum nächsten Mal! Ihr Ingo Friedrich
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